Wenn Ihr das hier lest ist sie vorbei, die Internet-freie Zeit. Denn seit Mittwochabend waren wir medientechnisch von der Außenwelt abgeschlossen. Als youtube von Video auf Standbild umschaltete war klar, dass hier irgendetwas oberfaul ist. Die Telefonleitung war so tot wie es eine Telefonleitung nur sein kann. Was im Zeitalter der mobilen Telefonie eigentlich kein größeres Hindernis darstellt. Wenn … ja, wenn das Internet auf dem Weg ins Haus nicht die gleiche Leitung nehmen würde.
Seit Tagen war draußen ein Bagger zugange. Nächste Woche beginnt die Sanierung unserer Straße und die Vorarbeiten laufen auf Hochtouren. Das heißt, entlang der Straße wurden die Gräben ausgebaggert, damit das Wasser abfließen kann, sollte es mal wieder regnen. Ein Schelm ist, wer da Böses denkt ….
Sofort begannen meine Gedanken zu rotieren. Wie ist die für den nächsten Tag geplante Textkorrektur zu machen, wenn das Dokument nicht heruntergeladen werden kann? Wie bearbeite ich die am Spätnachmittag eingegangene Übersetzung, die bis nächsten Dienstag fertig sein sollte, ohne die Möglichkeit im Netz zu recherchieren? Und noch wichtiger, wie schicke ich dem Kunden die Übersetzung, die fast fertiggestellt ist und am Freitag Termin hat?? Da nach 21.30 Uhr sowieso nichts mehr zu machen ist, werden alle Aktivitäten auf den nächsten Morgen verschoben.
Anita ist auf dem Festnetz erreichbar, sie ist offensichtlich nicht betroffen. Jeanette und Matthias sind bereits aus dem Haus. Telia, unsere Telefongesellschaft, lässt mich erst durch ein Telefonmenü drücken, versteht aber die eingetippte Telefonnummer nicht und erklärt mir zuletzt, dass der Kundendienst ab 8.00 für mich da ist. Ob sich die freundliche Computerstimme noch für meinen Anruf bedankt, höre ich nicht mehr. Tatsächlich erreiche ich um 8.00 sehr zügig einen Kundendienstmitarbeit, was gut ist, da mein Handy eine Prepaid-Karte hat und ohne Internet kann ich sie nicht wiederaufladen, wenn man vormittags längere Zeit in der Warteschleife festhängt. Ich gebe dem Kundendienstmitarbeiter meine Störmeldung durch, der mich noch so unverständliches Zeug fragt wie, ob wir ein Modem besitzen. Als ob ich eine solche Frage in meiner Muttersprache beantworten könnte – und er fragt mich auf Schwedisch. Dann erklärt er, dass man sich um mein Problem kümmern wird. Innerhalb von 3 Arbeitstagen.
Mein nächster Anruf gilt Berth, einem anderen Nachbarn. Er ist schon zeitig unterwegs, verspricht aber, bald zurückzurufen, was er dann auch tut. Bei ihm funktioniert alles, aber er hat bereits mit Göran gesprochen, dessen Leitung vorübergehend ebenfalls tot war. Er kümmert sich ja schon die ganze Zeit liebevoll um die Straßensanierung und schwingt sich deshalb auch jetzt auf sein Fahrrad, um sich bei den beiden Jungs im Bagger über eventuelle Auffälligkeit beim Freilegen der Straßengräben umzuhören. Sie geben dann auch unumwunden zu, dass sie da auf irgendetwas gestoßen sind. Und ich weiß auch auf was.
Damit wäre der Fehler lokalisiert. Berth kümmert sich um eine weitere Schadensmeldung und erfährt ebenfalls, dass man sich innerhalb von max. 3 Arbeitstagen des Problems annehmen will. Die Prioritäten setzt die Störstelle. Da es sich bei uns bestenfalls um eine Handvoll Privathaushalte (Übersetzerinnen im Homeoffice mit weniger als 200.000 Euro Jahresumsatz zählen nicht als Unternehmen) draußen auf dem Land handelt, haben wir nicht die gleiche Priorität wie diejenigen, die für das schwedische Wirtschaftswachstum sorgen. Und so beginnt das Warten. Arbeitstag Nr. 3 ist Montag, der 03.09.
Nachdem ich meine offenen Aufträge storniert und den wichtigsten Kunden mittgeteilt habe, dass ich derzeit nicht erreichbar bin – auf die Aussage “wir haben kein Internet” schlägt mir von allen Seiten Mitgefühl und Verständnis entgegen – kann ich entspannt drei freien Tagen entgegen sehen.
Am späten Montagnachmittag hebe ich aus einem unbestimmten Impuls heraus den Telefonhörer ab – und da ist es wieder: das FREIZEICHEN.
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